Tag 1 - Nachlese
Nach den aufregenden "erotischen Blicken hinter die Kulissen" der TechEd habe ich mir doch noch zur Abkühlung ein wenig technische Einblicke gegönnt, u.a. "Windows Forms Tips and Tricks" und "SQL Server Notification Services". Der Weg dahin über das ausgedehnte TechEd Gelände und durch die Ausstellung war zwar lang, aber am Ende hat es sich gelohnt, wie sich zeigen wird.
Beide Sessions haben vorhandene Technologien vertieft bzw. erklärt. Das war nett - aber auch nicht mehr. Ken Getz hat einen lebendigen Vortragsstil, der das Zuschauen kurzweilig machte. Trotzdem habe ich mich gefragt, ob Tipps&Tricks ein geeignetes Vortragsthema sind. Auch wenn seine Vorschläge gut waren, so macht es doch gerade der Tipps&Tricks-Anspruch schwer, das gesehene zu behalten, da viele Themen angerissen werden. Es wäre einfacher, die Inhalte zu lesen. Mit einem anderen Problem hatte Ken Henderson bei den Notification Services zu kämpfen: Der SQL Server-Dienst ist nicht sehr bekannt und so war es angezeigt, etwas grundsätzlichere Erläuterungen zu geben.
Eine gute Idee - aber in der Ausführung leider nicht so glücklich, da kein richtig roter Faden zu erkennen war. Zwar gab es ein Szenario, an dem Ken sich entlang hangelte, aber trotz eines Übersichtsdiagramms zur Funktionsweise der Notification Services wollte sich kein homogenes Bild formen. Es fehlte sozusagen die Ursprungsmotivation: "Was macht die Notificaton Services so einzigartig/notwendig? Warum sehen sie so aus, wie sie aussehen? Was sind die Kategorien von Problemen, die sich damit am besten lösen lassen?" Dennoch bleibt dieser Dienst interessant und ich werde nach weiterer Literatur dazu ausschau halten. Asynchrone Programmierung - und dazu zählen eben auch Events - ist eines der Programmierparadigmen der Zukunft.
Ein Talk hat mich dann aber doch "entschädigt" für die beiden eben beschriebenen. Fast möchte ich mit Prince sagen: I´ve seen the future. Es ging um Infopath, das neue Office Mitglied.
Judy Lew ging so das Herz über bei ihrer Präsentation, dass man ihrem Wortstromm kaum folgen konnte. Aber ich fand das verständlich. Infopath ist einfach cool! Als XML Formular"engine" ist es sozusagen ein Missing Link im Arsenal der UI-Werkzeuge.
Mit Infopath erfassen Sie also Daten in Formularen. Klingt nicht bahnbrechend - ist aber (irgendwie) doch. Die Unterschiede zu bisherigen Werkzeugen dieser Art und ihren eigenen Frontends (Windows oder HTML) sind:
-Beschreibung des Formularlayout durch XML
-Beschreibung der zu erfassenden Daten durch ein XML Schema
-Speicherung der erfassten Daten als XML Dokumente
-Einbindung von Businesslogik via Scriptsprachen oder DLLs
-Umfassendes Objektmodell zur Programmierung
-Anbindung an Web Services
Der Trick bei Infopath liegt in der Entkopplung von Datenbearbeitung und Backend. HTML-Frontends laufen nur bei Verbindung zum Server. WinForms-Frontends sind - bei allem Komfort durch Drag&Drop in Designern - umständlich zu realisieren, gerade wenn es gilt, umfangreiche, mehrseitige und hierarchische Daten zu erfassen. WinForms wie WebForms sind auch bis heute eng und synchron gekoppelt mit der Geschäftslogik. Das alles trägt dazu bei, dass heutige Frontends schwer zu entwerfen bzw. zu warten sind. Von einer wahlweisen online/offline-Anwendung ganz zu schweigen. Zuviel imperative Programmierung steckt in den Benutzerschnittstellen, zuwenig deklarative Programmierung in Form von Beschreibungen (Layout, Daten, Validation).
Das zu ändern ist Infopath angetreten. Und auch wenn momentan nur die erste Version vorliegt, würde ich doch sagen, das Werkzeug hat das Zeug zu einer großen Zukunft. Dafür wird allerdings ein Preis zu zahlen sein: Die wirkliche Entkopplung zwischen Frontend und Geschäftslogik mit Umstieg auf eine sehr viel nachrichtenbasiertere Kommunikation in und zwischen Anwendungen. Mit der Kombination auf Infopath, Web Services, BizTalk Server und Share Point Services wird der Umstieg auf skalierbare Architekturen jedoch leichter sein, als mit der bisherigen Kombination WinForms, COM+, SQL Server. Das soll nicht bedeuten, dass BizTalk COM+ ersetzt oder SQL Server überflüssig würde; es bedeutet lediglich, dass sich der Fokus verschieben wird und sollte.
Bisher gab es nur WinForms/WebForms als Hammer und jedes UI-Problem sah damit wie ein Nagel aus. InfoPath bietet jetzt einen weiteren, quasi kategorial neuen Ansatz für die Frontend-Programmierung, so dass viele UI-Probleme einfacher/angemesser denn als Nägel behandelt werden können. Ich jedenfalls bin sehr gespannt auf InfoPath.
Viel Erkenntnis braucht natürlich viel Zeit zum Verarbeiten. Und das geht am besten bei viel Entspannung. Passenderweise fand am Abend eine der vielen TechEd Parties in einer Villa am Stadtrand von Barcelona statt.
Vielleicht 1000 der insgesamt 6500 TechEd Teilnehmer waren eingeladen, bei leckerem Essen (von Hamburger bis Paella), kühlenden Getränken (von Bier bis Reagenzglascocktails) und viel Musik zum Abtanzen bis in den Morgen zu feiern. Zur Einstimmung in einen ohnehin heißen Abend gab es Entertainment-Einlagen, die nichts anbrennen ließen...
und "individuelle Betreuung" - mal posierend, mal keck - für das vorwiegend männliche Entwickler-Publikum...
Wer sich da nicht selbst mitreißen lassen wollte, der konnte dann entweder sozusagen immer noch virtuell via Videoprojektion dabei sein
oder ganz einfach eine ruhige "Community Kugel" schieben. Kaum zu glauben, aber wahr: Es war einfacher, Kontakt zu Kollegen "aus der Szene" hier im entfernten Barcelona aufzunehmen, denn in der Heimat. Zum Beweis hier einige Bilder großer Einträchtigkeit:
v.l.n.r.: Masoud Kamali (Herausgeber dot.net Magazin), Sven Dummer (Microsoft), Thomas Fickert (Microsoft, Community Manager), Frank Eller (Autor und Lektor bei
Addison-Wesley) und Holger Schwichtenberg (Autor u.a. bei iX und dotnetpro)
v.l.n.r.: Patrick Lorenz (Autor bei Hanser und dotnetpro), Tilman Börner (Chefredakteur dotnetpro), Neno Loje (Autor bei dotnetpro), Peter Monadjemi (Bestsellerautor bei Markt+Technik)
Und damit sollten die letzten Zweifel ausgeräumt sein: Elektronische Kommunikation ist gut und notwendig. Aber das persönliche Gespräch - auch oder gerade wenn es weit entfernt von der Heimat stattfindet - bleibt wichtig, um etwas gemeinsam zu bewegen.