Tag 3
Die Teilnehmer der TechEd wurden heute von ganz speziellen Herren begrüßt:
Im Rahmen seiner Community Initiativen hat Microsoft einige "Software Legends" identifiziert, deren Anwesenheit (auch in Person, nicht nur als Papp-Aufsteller) dem Event einen besonderen Flair verleihen soll. (In der Speaker Lounge war auch unüberhörbar Don Box anwesend :-)
Das ist bestimmt eine gute Idee, Community lebt bei allem gemeinsamem Interesse für eine Sache auch immer von Persönlichkeiten, die durch ihre Art, Meinung, Kompetenz hervortreten. Welche das für welche Community aber sind, ist nicht immer einfach zu bestimmen, würde ich sagen. Wen würde die deutsche Entwicklergemeinde z.B. auf dem folgenden Bild eher als "Software Legend" küren?
Den Herren in der Mitte oder einen der ihn flankierenden Herren? :-) (Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe nichts gegen den Herren in der Mitte, Billy Hollis. Im Gegenteil, ich schätz ihn sehr als äußerst kompetenten und auch bekannten Kollegen.)
Don Box ist sicherlich völlig außer Frage eine oder die prototypische Software Legend in der Microsoft Welt. Oder genauer: In der COM-Welt. Denn wie sein Status jetzt ist, da er von Microsoft assimiliert wurde und sich mit XML/SOAP/Web Services beschäftigt, ist unklar, finde ich. Wer also folgt ihm nach? Oder wer ist für welche Zielgruppe eine "Software Legend"? Jeffrey Richter? Billy Hollis? Keith Pleas? David Stutz? Clemens Vasters? Francesco Balena? Tim Ewald? Martin Fowler? Kent Beck? Schwer zu sagen. Bekannte Namen auf einer Konferenz zusammen zu führen (wie es auch andere tun, z.B. SD West in den USA) und damit zu werben ist immer eine gute Idee. Aber sie bewusst mit einem künstlichen, nicht von ihnen selbst gewählten Titel wie "Software Legend" zu belegen finde ich fast schon kontraproduktiv. Es hat etwas von "Microsoft sucht den Superstar" ;-)
Aber genug davon. Es gab auch anderes am für mich letzten Tag auf der TechEd zu sehen. Der vom Montag auf heute verschobene Vortrag von Yasser Shohoud zu Service Oriented Architecture (SOA) und Web Services hat mir z.B. sehr gut gefallen. Das Thema SOA ist einfach sehr wichtig und Yasser hat es sehr pragmatisch demonstriert. Er sprach über die Möglichkeit zur Versionierung von Web Service Schnittstellen, wenn man sie von einem Message-basierten Standpunkt aus betrachtet. Der Aufruf eines Web Service geschieht ja nicht Stack-basiert, sondern über eine SOAP-Nachricht. Deshalb kann in die Signatur einer Web Service Methode ein "Extensibility Point" in Form von Platzhalterparameters eingeplant werden. Ein interessanter Trick, der in Richtung des von mir vor zwei Jahren in einem TechTalk vorgestellten Konzept des "Strong Tagging" geht.
Als letzte Session habe ich mir dann noch einen Chalk Talk gegönnt. Ein Format, das ich noch nicht kannte:
Bei einem Chalk Talk wird ein Thema in kleinem Rahmen (max. 20-30 Teilnehmer) ohne Folien nur mit einem Whiteboard/Flipchart bewaffnet behandelt. Es geht um Spontaneität, Interaktion, direkten Kontakt mit dem Referenten. Das hat mir gut gefallen. Es hat funktioniert - ist aber davon abhängig, dass der Vortragende gleichzeitig technische und moderierende Kompetenz hat.
Besonders schwer war es dann auch noch in diesem Chalk Talk, weil das Thema lautete "Microsoft and Open Source". Leider war ich etwas spät gekommen und hatte verpasst, was zu Mono gesagt wurde. Aber auch die restlichen 45min waren interessant. Der Fokus "Open Source" wurde zwar etwas aus dem Auge verloren, aber Shared Source gehört auch in das Umfeld, ebenfalls Fragen zur Lizenspolitik.
Drei Microsoft-Sprecher und ein externer stellten sich den durchaus emotionalen Anliegen der Teilnehmer. Zu jedem Zeitpunkt war die Stimmung aber trotz kontroverser Ansicht gut. Eine gute Leistung der Referenten. Ihre Antworten waren zu dem sehr breiten Thema so gut es ging in Anbetracht aller "(firmen)politscher Fallen". Viel Selbstkritik war bei Microsoft zu hören, aber auch die Bitte, offensichtliche Verbesserungen anzuerkennen. Als Beispiel mag die Shared Source Initiative dienen. Sie gestattet nahezu jedem interessierten Unternehmen, Sourcecode von Microsoft Produkten einzusehen. 85% des Windows Quellcodes sind zugänglich, große Teile des .NET Framework (in Form der Rotor Implementation) und bald auch Office Produkte. Genutzt wird diese Option jedoch sehr selten. Von 500 befragten Unternehmen in Großbritannien war nur eines interessiert, ein weiteres zeigte Interesse für die Zukunft.
Unabhängig von den konkreten Fragen und Antworten hat mich gerade an diesem Chalk Talk aber beeindruckt, wie offen sich Microsoft einem so kontroversen Thema stellt. Statt von einem Bühne herab, hat man das Interesse (und den "Leidensdruck") der Teilnehmer bei den Hörnern gepackt und sich im persönlich gestellt. Ein schönes Zeichen. Ich halte es für ehrlich gemeint - wenn auch solche Offenheit nur von einem kleineren Teil innerhalb von Microsoft getragen sein mag. Aber vielleicht macht dieses Zeichen ja Mut und Microsoft nimmt Initiativen wie Mono noch bewusster wahr, z.B. in Form von Konferenzen wie der letztjährigen .NET One in Frankfurt.
Nach dem Chalk Talk blieb mir dann nur noch wenig Zeit bis zur Rückreise. Über den weiteren Verlauf der TechEd - insbesondere die Konferenzparty heute abend - kann ich also leider nichts berichten. Schade :-( Andere Verpflichtungen ließen es jedoch nicht zu, noch einen Tag länger zu bleiben. Gern hätte ich Don Box' "Guide to Clarity and Stability" bzw. Web Services gehört oder die Yukon (nächste SQL Server Version) Preview zum Thema Programmierbarkeit oder auch Clemens zu "Aspect Oriented Programming". Der letzte Tag verspricht also nochmal spannend zu werden.
Wenn es aber stimmt, dass alle Sessions mitgeschnitten wurden, dann kann ich die verpassten ja aber vielleicht noch nachholen: Konferenz-DVD einlegen und lauschen...
Einstweilen hat mich aber erstmal München wieder. Das Begrüßungsfarbenspiel auf dem Flugplatz hat mir jedenfalls schon mal gefallen :-)
Schön, wieder daheim zu sein. Morgen geht es dann weiter nach Hamburg für ein paar Wochen. Die Tage dort geben mir hoffentlich Gelegenheit, das Gesehene und Gehörte von der TechEd 2003 sacken zu lassen. Jetzt gilt es, die Inspirationen in konkrete Pläne umzusetzen. InfoPath und SOA stehen oben auf meiner Liste. Dafür hat sich die TechEd allemal gelohnt.